Französisches Theater in der Mensa

Novelle L’Hôte von Albert Camus als Einpersonenstück

Am Dienstag, dem 20. Februar, hatten alle Französischlernenden der Jahrgangsstufen 10, J1 und J2 die Möglichkeit, in der Aula des OHG ein französisches Theaterstück zu sehen. Die Französisch-Fachschaft des Gymnasiums hatte das Xenia-Theater aus Karlsruhe eingeladen, das die Novelle L’Hôte von Albert Camus als Einpersonenstück auf Französisch auf die Bühne brachte.

Die Schauspielerin Nathalie Cellier verkörperte auf sehr eindrucksvolle Weise in dem Stück alle drei Hauptfiguren sowie die Erzählerrolle. Durch Gestik, Mimik oder Akzent wurde deutlich, wann Cellier die Rollen wechselte, ob sie die des Erzählers innehatte, den sie stets mit gleichbleibender Mimik darstellte, oder die des alten Gendarms Balducci, den sie mit einem korsischen Akzent und ausladenden Gesten spielte. Die Darstellung des Gendarms stand beispielsweise stark im Kontrast zu der Verkörperung des „Arabers“. Den Namenlosen brachte sie als einen eher verängstigten und unterwürfigen Mann zum Leben. Alle Figurendarstellungen waren schlüssig im Kontext der Geschichte.

L‘Hôte spielt in Algerien zu Zeiten, als dies noch eine Kolonie Frankreichs war. Die Hauptperson der Novelle ist Daru, ein in Algerien lebender französischer Volksschullehrer, ein sog. „pied-noir“, der fernab von allen Menschen auf einer Hochebene in der Kabylei in seiner Schule wohnt. Eines Tages sieht er, dass zwei Menschen zu ihm emporsteigen: Balducci, ein älterer Gendarm korsischen Ursprungs aus dem nächsten Dorf und ein Gefangener, der in der Novelle lediglich l'Arabe, der Araber, genannt wird. Dieser hat seinen Cousin getötet und soll wegen bevorstehender Unruhen, die im Zusammenhang mit den Kämpfen um die algerische Unabhängigkeit stehen, in ein anderes Gefängnis verlegt werden. Balducci, der aufgrund der Unruhen umgehend zurückkehren muss, hat den Auftrag, den Araber bei Daru abzuliefern, damit dieser ihn dann wiederum der nächsten Polizeistation in Tinguit ausliefern kann. Daru ist von der Bluttat zwar angewidert, er weigert sich jedoch, den Auftrag anzunehmen und den Araber auszuliefern. Als Balducci ihn nicht umstimmen kann, verlässt er erbost die Schule und überlässt es Daru, wie er mit dem Gefangenen verfährt. Daru bereitet dem Gefangenen ein Abendessen zu und richtet ihm eine Lagerstätte für die Nacht her. Am nächsten Tag machen sich Daru und der Araber in Richtung des Dorfes auf. Nach einem längeren Fußmarsch gelangen sie an eine Weggabelung. Daru stellt den Araber vor die Wahl, entweder zu fliehen und zu den Nomaden zu gehen, die ihn aufnehmen würden nach dem Gesetz der Gastfreundschaft oder freiwillig ins Gefängnis zu gehen.  Daru lässt ihn mit der Entscheidung allein und kehrt um. Als sich Daru aus einiger Entfernung noch einmal umdreht, sieht er, dass der Araber den Weg zum Gefängnis eingeschlagen hat. Zurück in der Schule blickt er wehmütig aus dem Fenster über die Hochebene. Hinter ihm an der Tafel steht geschrieben: „Tu as livré notre frère. Tu paieras.“ – „Du hast unseren Bruder ausgeliefert. Du wirst zahlen.“ Daru fühlt sich in dem Land, das er vormals liebte, so einsam wie nie zuvor.

Natalie Cellier arbeitete mit wenigen Requisiten, lediglich mit einem hohen Sitzhocker, einem Feuerzeug, einem kleineren Seil und einem Revolver. Gelegentliche Änderungen des Lichtes brachten Abwechslung in die Vorstellung. Mal fokussierte sich das helle, warme Licht, welches zuvor die gesamte Bühne erleuchtete, ganz auf sie. Mal wurde es blau, wodurch nachdenkliche Momente untermalt wurden. Hierzu kamen gelegentliche Echoeffekte hinzu, die zu dieser Untermalung beisteuerten.

Im Anschluss an die Aufführung trat Cellier mit den Schülerinnen und Schülern in den Dialog über die Inszenierung sowie über den Inhalt der Novelle selbst und Camus‘ Philosophie des Existentialismus. Die rege Beteilung der Schülerinnen und Schüler an diesem Gedankenaustausch mit der Schauspielerin zeugen von ihrem großen Interesse an der französischen Sprache und Literatur.

Alles in allem war es eine gelungene Theatervorführung, die bei den zahlreichen Zuschauern großen Eindruck hinterließ.


Text: Iris Graf und Foto: Isabelle Bauer